Angestachelt durch einen schrillen Anpfiff vom Vorsteher des Amtes für Lebensreisen beginnen die im Kopfbahnhof eingeschlafenen Gesichtszüge eine hektische Abreise der Gefühlstouristen in Richtung der tropischen Regionen emotions.
Die unkontrolliert wechselnde Einstellung der Weichen führt zu einem (unterhalt-samen) Durcheinander der dampfenden Lokomotiven mit ihren altmodischen Waggons und den gestikulierenden In-sassen im Freizeitdress; zitternde Hände streicheln Sorgenfalten, suchen nach der Notbremse und dem Schutzschirm gegen den Wortregen der Personenkontrolleure.
Diese bewegte Szene im Hauptbahnhof der Gefühle betitelt der bildende Künstler mit den Fachausdrücken „eine Grimasse ziehen“, „eine Fratze schneiden“, „Rückzugsgefecht der Ironie“ oder „eine Maske bilden und aufsetzen“ – wie die indigenen Naturvölker und die Karnevalisten.
Ein Teil der Weltenbummler schützt sein Einatmen mit der über Mund, Nase, Augen, Ohren gezogenen GRIMASSKE vor dem Virus der Vergesellschaftung.
Ein anderer Teil steigt aus; er schützt die anderen vor dem Virus seiner persönlichen Ausatmung, indem er sich eine allgemein-typische, kosmetisch-gestylte Maske aufsetzen lässt. Diese war von einem anerkannten Visagisten zeitgeistlich entwickelt und massenweise produziert worden für den STEREOTYP des Home-Lebens im Plattenbau.
Beide Maskenarten – die Grimasse und das Stereotype – haben seit Urzeiten den Künstlern, Dichtern, Philosophen und Politikern zu schaffen gemacht: Sei es in der IKONE eines Vorbilds, im PORTRAIT eines Mitmenschen, im SPIEGELBILD als Verschmelzung des Gegenübers mit dem Selbstportrait, in der KARIKATUR des ideologisch-stilistischen Gegners oder im SIGNET des abstrahierenden Formalisten – insbesondere in der Überschaubarkeit der MIMIKEN des staatlichen und inner-städtischen Theaters, der Commedia dell‘arte und der Flaniermeile – also stets waren die zwei Maskenarten in der Diskussion: GANZMENSCH oder HERDENTIER mit ihren Masken nach der geschminkten jeweiligen Mode (modus vivendi) oder ihrem Ende (TOTENMASKE).
Wilhelm Busch empfahl bei der „Anleitung zu einem historischen Portrait“:
Mach still und froh
mal so 😊
mal so 🙁
bei Austerlitz und Waterloo.
Er vergaß allerdings das So-so 😑 auf Elba. Genau so wie die Fernsehmoderatorin, die nur smily und depri kennt, genau so wie der Künstler, welcher bei Personenbe-schreibungen, Personenbemalungen nur die guten oder bösen Masken dem peregrinus ubique überstülpt und ihn dann ins Schlaglicht zieht (pro-trahere).
Ist es nicht an der Zeit – trotz aller drohenden Infektionen durch das Semper-idem-Virus – die Schutzmaskenpflicht in der Kunst aufzuheben, um die im öffentlichen Thermalbad erlaubten FKK-Gefühlsreisen auch in der FRESSEFREIHEIT der Kunst zu ermöglichen?
Selbst wenn gegendert: Die entgleisten Gesichtszüge mit ihren nackten Insassen hätten Freie Fahrt zum GRINSEN.
Teilnehmerliste "Emotions" im Porträt
Ulrike Brennscheidt, José Briceño, Herman Burkhardt, Klaus Bushoff, Chimgee Damdin, Ursula Donn, Christa Düwell, Armin Elhardt, Friederike Fricker, Eva Friedrich, Elke Gaertner, Bernd Gehrig, Crista Gipser, Günter Guben, Jutta Hansen-Paal, Uta Heiland, Angelika Hentschel, Klaus Heuser, Leon Kappel, Linda Kauffmann, Gunther Kerbes, Ulrike Kirbach, Frank-Paul Kistner, Pirmin Lang, Daiana Maties, Wolfgang Melzer, Ingrid Neumann-Dannecker, Pola Polanski, Dagmar Roos, Ines Scheppach, Leonhard Schmidt, Günther Sommer, Jutta Uhde, Jenny Wang, Paul Wassiliadis, Helga Wimmer, Götz Wintterlin, Lucy Yang, Gabriele Zeller-Kramer, Elke Zemelka, Natalia Zumarán
Impressionen der Ausstellung, Fotos © Otto Hablizel
Eröffnung
Freitag, 23.9.2022, 16 – 19 Uhr
Ausstellungsdauer
24.9. bis 29.10.2022
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Natalia Zumaran (Freitag, 09 September 2022 14:21)
Und die Namen der Teilnehmer*innen?